Hingehauchte Auf- und markante Abstriche – die berühmten Schwellzüge -, elegante Kurven mit bisweilen extravaganten Schnörkeln: Die auch als Anglaise oder Copperplate bekannte Englische Schreibschrift ist eine leicht wirkende, schwungvolle kalligraphische Schrift.

Sie gilt als sehr schwierig zu schreiben und als erst nach langer Übung beherrschbar. Umso erstaunlicher, dass sie ursprünglich als Gebrauchsschrift Eingang in die Schreibstuben und -schulen fand.

Dieser Beitrag erzählt die Geschichte der Round Hand und wirft ein Licht auf die Besonderheiten, die sie im 18. und 19. Jahrhundert zu einer der weit verbreitetsten Schriften der westlichen Welt machten. Abschließend folgen Tipps zur Wahl der geeigneten Schreibutensilien und Übungsempfehlungen.

Wie die Englische Schreibschrift und ihre Schwestern den Papierkrieg in die Welt brachten

Aus heutiger Sicht gilt die Anglaise als schwierig auszuführende Schrift. Die wechselnden Strichstärken selbstverständlich und die verschnörkelten Großbuchstaben nicht krakelig aussehen zu lassen, erfordert viel Übung.

Tatsächlich aber stellte die Englische Schreibschrift in der Zeit ihrer Entstehung eine revolutionäre Neuerung dar, die das Verfassen von Korrespondenz und Dokumenten erheblich vereinfachte. Das fließende Schriftbild der in England „Round Hand“ genannten Schrift erlaubte eine wesentlich raschere Bewegungsführung als die noch im 18. und bis weit ins 19. Jahrhundert hinein gebräuchlichen Schriften gotischer Prägung.

Die Englische Schreibschrift hatte allerdings nicht nur den Vorteil, dass sie sich schwungvoller schreiben und leichter lesen ließ. Die einzelnen Buchstaben der neuen Gebrauchsschrift waren im Vergleich mit ihren detailreichen gotischen Äquivalenten geradezu simpel aufgebaut. Außerdem benötigten sie dank schmaler Grundformen weniger Platz, was einen geringeren Verbrauch an teurem Papier beziehungsweise Pergament bedeutete.

Das kam dem sprunghaft gestiegenen Bedarf an Schriftstücken entgegen, den der beginnende Welthandel, der Kolonialismus und die Kriegsführung mit sich brachten.

Anglaise, Copperplate, Round Hand, Spencerian: Viele Namen, eine Schrift

Die Wurzeln der Englischen Schreibschrift liegen in der Humanistischen Kursive. Diese seit der Renaissance im Mittelmeerraum verbreitete, noch recht eckige Gebrauchsschrift nahm im Lauf der Zeit geschwungenere Formen an. Im England des 17. und 18. Jahrhunderts entwickelte sie sich zur „Round Hand“ weiter. Der Bezeichnung „Runde Hand“ verdankt sich den charakteristischen Handbewegungen beim Schreiben. „Anglaise“ wurde sie in Frankreich genannt, wo es einen ähnlichen Schrifttyp namens „Ronde“ gab, der als Vorläufer der Round Hand gilt. Jenseits des Atlantiks erfreute sich die Englische Schreibschrift unter der Bezeichnung „Spencerian Script“ vom 19. Jahrhundert an wachsender Beliebtheit. In Deutschland hieß sie „Lateinische Schreibschrift“ oder „Künstler Schrift“.

Der Name „Copperplate“ – „Kupferplatte“ – stammt aus dem 17. Jahrhundert. Er geht auf eine künstlerische Drucktechnik zurück, die eigens für Schriften dieses Typs modifiziert wurde: Die an- und abschwellenden Linien mit den filigranen Schleifen und Schnörkeln machten es praktisch unmöglich, Bleibuchstaben in der Round Hand zu gießen. Deswegen wurden Texte und Alphabete in Kupferplatten gestochen.

Heute bezeichnet „Copperplate“ sowohl die Englische Schreibschrift als auch andere kalligraphische Schriften ähnlichen Typs, deren Druckvorlagen früher von Kupferstechern angefertigt wurden.

Materialtipps zur Englischen Schreibschrift

Die Spitzfeder aus Stahl, das heute übliche Schreibwerkzeug für Schriften dieses Typs, wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfunden. Bis dahin wurde die Englische Schreibschrift, genau wie die meisten anderen Schriften, mit einem mehr oder weniger breit geschnittenen Federkiel geschrieben. Die feine elastische Spitze einer geeigneten Stahlfeder erlaubt es, elegante Kurven und Ovale sowie filigrane Aufstriche und betonte Abstriche zu erzeugen.

Es ist kein Fehler, beim Schreiben langsam und feinfühlig vorzugehen; mit einiger Übung ist es allerdings möglich, den Schwung zu nutzen, der die Englische Schreibschrift auszeichnet, um ein regelmäßiges, rhythmisches Schriftbild zu kreieren.

Ein gut in der Hand liegender Federhalter erleichtert es, die Feder so zu führen, dass sie bei den Aufstrichen nicht im Papier hängen bleibt und die Ränder der breiteren Abstriche nicht ausfransen.

Zum Üben eignet sich gut geleimtes Laserdrucker-Papier, das in vielen Varianten angeboten wird. Als Schreibflüssigkeit kommen mehrere Tinten und sogar Gouache in Frage. Letztere ist in flüssiger Form erhältlich und hat den Vorteil, auch auf lange Sicht kaum zu verblassen.

Ein sehr schönes dunkles Braun, das den nostalgischen Stil der Round Hand widerspiegelt, bringt Nussbaumtinte aufs Papier. Kälter in der Farbe, aber hervorragend in den Schreibeigenschaften und näher an den ursprünglichen Utensilien für die Englische Schreibschrift ist die seit Jahrhunderten gebräuchliche Eisengallustinte. Anders als bei modernen, für Füllfederhalter gedachten dünnflüssigeren Tinten macht sie die an- und abschwellenden Schriftzüge mit, ohne Lücken zu produzieren.

Übungen zur Vorbereitung für die Englische Schreibschrift: die Drills

Unter Drills versteht man in der Kalligraphie das gezielte Üben von Kurven, Schwüngen und Abstrichen. Die Englische Schreibschrift mag daherkommen wie ein Eldorado für Liebhaber verspielter Schnörkel; tatsächlich aber basiert sie auf rigiden Konstruktionsprinzipien. Die erstrecken sich auf die gleichmäßige Schrägstellung der Buchstaben, auf die Verbindungen zwischen den Ovalen und Kurven, auf die ausgeprägten Ober- und Unterlängen und so fort.

Die dekorativen Schnörkel sind aus handwerklicher Sicht ein individueller Ausdruck des kundigen Kalligraphen, der die Englische Schreibschrift beherrscht – also nicht mehr und nicht weniger als die Kirsche auf der Sahnetorte.

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